Gablonz an der Neiße – Kaubeuren-Neugablonz

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Gablonz an der Neiße – Jablonec nad Nisou gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu den blühenden Städten Nordböhmens.

Hohes handwerkliches Können, ausgeprägt schöpferischer Ideenreichtum, und viel Fleiß  waren und sind die Qualitäten der „Gablonzer“. Das erklärt auch den Aufstieg  der dortigen Industrie.

Ab dem 16. Jahrhundert gab es  Glashütten – Rohstoffe und Brennholz waren genügend vorhanden. Glas brachte zudem höhere Erträge als die karge Land- wirtschaft.

Im 18. Jahrhundert stellte man aufgrund neuer technischer Möglichkeiten, u.a. besseres Glas, von Hohlglas auf Kleinteile – Knöpfe, Perlen, Steine und Lüsterbehang um. Es waren schon Erfindungen im Schleifen, Kugeln und Schneiden von Glas vorhanden. So entwickelte sich in Gablonz ein ganz neues Verständnis von Schmuck und dessen Produktion. Man glaubte nicht, dass Schmuck sich nur aus wertvollen und teuren Rohstoffen herstellen ließe und man beschritt neue Wege. Das freie Kombinieren von Glas, Kunststoff und unedlen Metallen machte einen unvorstellbaren Reichtum an Farben, Formen und Dekors möglich Das Glasdrücken wurde erfunden und ein neuer Beruf hielt Einzug. Der Gürtler der zusammen mit dem Glasmacher als Schmuckgürtler arbeitet.  Der Erfolg der rasch aufstrebenden Industrie basierte auf dem engen Netzwerk aller Beteiligten: Die Glashütten, verarbeitende Betriebe, die Exporteure.
Die Glasarbeiter – unter anderem Schmelzer, Schleifer, Graveure, Werkzeug- macher Vergolder, Maler, Metalldrücker, Hohlglasmacher, Hohlglasfeinschleifer, Kugler.Eine Statistik von 1895 wies 4364 Betriebe aus (Kaum weniger  -4136 – waren es 1938): 3547 hausinterne Betriebe, 766 Kleinbetriebe und nur 51 größere Betriebe.

Ab 1870 bildeten die Gablonzer ihren Nachwuchs in der Kunstgewerblichen Staatsfachschule und in der Städt. Handelsakademie aus.

Die so genannte „Gablonzer Bijouterie“ galt auch als der Hauptmotor des rasanten wirtschaftlichen Aufschwungs, den Gablonz erlebte, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann. Eine kleine Erfolgsgeschichte dieser Zeit ist der Export von Bangels -Armreife aus Glas-  für Indien. Diese wurden in gigantischen Mengen mit dem damals schnellsten Fracht und Passagierdampfer des österreichischen Lloyds der „Gablonz“.

Galonzer Schmuck und Perlen wurden in 72 Ländern geliefert. „Gablonzer Perlen und Schmuck findet man vom Eismeer bis in den Dschungel“.

Die deutschsprachige Bevölkerung (etwa 90%) hatte kein politisches Problem, als die Stadt zu Österreich-Ungarn gehörte. Das Leben als Minderheit, in der 1918 gegründeten ersten Tschechoslowakischen Republik, wurde für die dort lebenden Deutschen sehr wohl ein Problem, weil sie als nationale Minderheit „tschechisiert“ werden sollten.

Deshalb  votierten 1938 fast alle deutschen Bewohner für den Anschluss an Deutschland, da keine Aussicht auf eine Autonomie der sudetendeutschen Gebiete innerhalb der Tschechoslowakei mehr bestand. Der Anschluss ans „Reich“ bedeutete aber für die bis dahin freiagierenden Gablonzer Handelsbeschränkungen und Umstellung auf  die Rüstungsindustrie.

Nach dem Kriegsende 1945,  der Kreis Gablonz hatte ca. 100.000 deutsche Einwohner, waren die viel diskutierten „Benes-Dekrete“ für die tschechische Seite eine Legitimation zur Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung aus Nordböhmen/Sudetenland. Betroffen davon war nahezu auch die ganze deutschsprachige Bevölkerung. Unter Zurücklassung aller geschäftlicher und privater Besitztümer mussten sie von einem auf den anderen Moment ihre Häuser verlassen.  Den geistigen Besitz und ihre handwerklichen Fähigkeiten konnte ihnen niemand nehmen.

Neugablonz wurde 1946 von vertriebenen Sudetendeutschen aus dem Kreis Gablonz gegründet auf dem Ruinenfeld eines Munitionsgeländes des Zweiten Weltkrieges.

Bereits 1947 erfolgte die Wiedergründung der Fachschule, die seit  1949 „staatliche Fachschule für Glas und Schmuck – Kaufbeuren-Neugablonz“ heißt und die folgende Lehrfächer umfaßt: Gold/Silberschmied – Stahlgraveure- Glas und Porzellanmaler. Perlenwickeln wir als Nebenfach unterrichtet.

Heute ist Neugablonz, Stadtteil von Kaufbeuren mit ca. 14.000 Einwohnern und das Modeschmuck-Zentrum der Bundesrepublik Deutschland. In den 130 Betrieben der Gablonzer Industrie im Allgäu mit ihren ca. 1.200 Mitarbeitern werden jährlich tausende neuer Entwürfe geschaffen, Handelsverbindungen in alle Welt garantieren den Vertrieb. 1975 wurde dort Schmuck und Accessoires  im Wert von 310 Millionen DM gefertigt. Der Exportanteil betrug 72 Millionen DM. Diese Umsätze werden heute, aus bekannten Gründen, nicht mehr erreicht, aber in Neugablonz wird immer noch handwerklich hochwertiger Schmuck und Zubehör hergestellt.

Neugablonz ist die einzige Siedlung dieser Größenordnung, die von einer geschlossenen Bevölkerungsgruppe aus den Vertreibungsgebieten gegründet worden ist und  sie ist die einzige, die den Namen einer ehemals deutschen Stadt trägt.

Zu den bekanntesten ursprünglich in Gablonz arbeitenden Unternehmen zählen die Firma Swarovski  (Der Gründer verlegte 1895 sein Werk von Gablonz nach Tirol) und Riedelglas.

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